München – Eigentlich sind sie Stars der Messe- und Ausstellungsbranche und haben ein Millionenpublikum: Bis zu sechs Millionen Besucher kommen jährlich zu den gut 180 Verbrauchermessen, die allein in Deutschland stattfinden. Das sind fast zwei Drittel so viele Gäste wie die großen internationalen Fach-messen jährlich zählen. Doch obwohl Verbrauchermessen das Erscheinungsbild der Branche prägen, kommen sie in der Dis-kussion vergleichsweise kurz.
    Jetzt standen die heimlichen Riesen einen Tag lang im Fokus des B2C-Fachforum, das im Rahmen der FAMA-Messefachtagung in München stattfand. Es war das erste Forum seit 2019, veranstaltet vom FAMA in Kooperation mit dem AUMA. Rund 100 Teilnehmende kamen – darunter Branchenriesen wie die Deutsche Messe AG und die Messe München sowie viele kleine und mittlere Unternehmen, die das Geschäft entscheidend prägen. Im Tenor stimmten sie mehrheitlich überein: Das Geschäft zieht wieder an, ist aber betriebswirtschaftlich deutlich härter geworden.

    Caravaning, Hochzeiten und Kulinarik ziehen. Alles drei ist gerade so beliebt, dass auch die entsprechenden Consumer-Schauen in Party-laune sind. Beispielhaft dafür ist die „Plaza Culinaria“, die erst vor wenigen Tagen wieder mehr als 35.000 Besucher an einem Wochenende anlockte – ein Zuwachs von satten zehn Prozent, so Messeleiterin Victoria Vehse. Seit inzwischen 19 Jahren findet die Genussmesse in Freiburg statt. Der Aufwand dafür sei beträchtlich: „Consumer Shows leben davon, jährlich neue Anziehungspunkte und Attraktionen zu schaffen“, sagt sie. In diesem Jahr sind beispielsweise die Bereiche „Vegan Vibes“ oder „JRE Genussfestival“ neu dazugekommen.

    Genuss, Rituale und Self-Experience liegen im Trend

    Ein Konzept, das auch den Zeitgeist trifft, wie Judith Barbolini vom Rheingold Institut sagt. Sie präsentierte in München eine Studie zur Generation Z. Ein Fazit: „Genuss, Rituale wie Hochzeiten und die „Self-Experience“ liegen voll im Trend, gerade in krisenhaften Zeiten, die scheinbar keinen Anker bieten“, so die Kölner Marktforscherin. Das spürt auch Robert Ninnemann, Geschäftsführer der RAM Regio Ausstellungs GmbH, mit Sitz in Erfurt. Er ist Veranstalter der Thüringen Ausstellung, die zu den größten Publikumsmessen in Ostdeutschland zählt. Vor drei Jahren fand die Messe als letzte Veranstaltung vor dem Lockdown statt, jetzt präsentierte sich die neuntägige Verbrauchermesse wieder fast in altem Glanz: „Mit insgesamt 700 Ausstellern bewegen wir uns im Zielkorridor von über 90 Prozent der Zeit vor der Pandemie“, so Ninnemann. Zugpferde auch hier: Kulinarik und Caravaning. Im Unterschied dazu spüre man beim gehobenen Interieur und im Baubereich die Verunsicherung, die von der Konsumzurückhaltung und dem Gebäudeenergiegesetz ausgeht: „Verbrauchermessen sind sensible Seismographen für kleinste Stimmungslagen und Trends im Konsumentenmarkt“, so der Erfurter. Gerade das mache sie so herausfordernd.

    Seismographen für Stimmungslagen und Trends

    Von der „Königsklasse“ sprechen deshalb gestandene Messemacherinnen wie Carola Schwennsen, die fast drei Jahrzehnte lang die Consumer-Messen der Deutschen Messe in Hannover verantwortet hat, darunter die „Pferd & Jagd“ und die „Infa“, die in diesem Jahr 110.000 Besucher an die Leine zieht. Zusammen mit dem Mannheimer Maimarkt (260.000 Besucher) und der Consumenta in Nürnberg (120.000) zählt sie zu den größten Verbrauchermessen in Deutschland. „In der Summe bewegt sich der Markt im Durchschnitt auf etwa 90 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Wir sehen allerdings eine relativ große Bandbreite je nach Messethema und Messetyp“, so Hendrik Hochheim vom deutschen Messeverband AUMA.

    Vor-Corona-Niveau zu 90 Prozent erreicht

    Dass es gelingt, die Generation Z für Verbrauchermessen zu gewinnen, zeigt die Infa: „Gut 20 Prozent unserer Besucherinnen und Be-sucher sind aus der Gen Z“, so Klaudia Kohl, Abteilungsleiterin Ver-brauchermessen der Deutschen Messe AG, Hannover. Erfolgsfaktoren seien die Kommunikation über Kanäle wie beispielsweise Tik Tok und ein Programm, das Themen in einer aktivierenden Form präsentiere, sagt Kohl. Judith Barbolini vom Rheingold Institut nennt es „aktivierende Selbstwirksamkeit“.
    Eine Form des Sich-Selbst-Erlebens und Ausprobierens, die im Retail längst Einzug genommen hat, wie Daniel Schnödt unterstreicht. Er spricht von „unfair Advantages“ und meint damit, in der Shop-Präsentation Themen aus sehr unterschiedlichen Bedürfnisfeldern, beispiels-weise Gesundheit, Mobilität, Sport & Spiel, Beauty und Entertainment, ganzheitlich zusammenbringen, auch mit Brüchen und Überraschungen. Er weiß, wovon er spricht. Mit seinem Unternehmen Teamscio berät der Westfale seit vielen Jahren Retailer erfolgreich bei der Entwicklung von Marketinglinien, Shopdesigns und POS-Inszenierungen.

    Messen als Ort des authentischen Erlebens und des Direktverkaufs

    „Es geht um Erlebnisse, die in Erinnerung bleiben“, sagt auch Helmut M. Bien, Geschäftsführer der Westermann Kommunikation Gesellschaft für Publizistik. Für reichlich „Talk in Town“ hat Bien 2000 gesorgt, als er zusammen mit der Messe Frankfurt die „Luminale“ ins Leben gerufen hat – ein Lichtfestival in der ganzen Stadt, das seitdem parallel zur Messe „Light & Building“ in der Stadt stattfindet. Das sei nur im realen Raum – auf und außerhalb des Messegeländes möglich. Auch deshalb sei die Angst, digital überholt oder abgelöst zu werden, völlig unbegründet. „Messen sind Orte der Wahrheit“, sagt Bien, „Orte des authentischen Erlebens“.
    Doch keineswegs nur das: „Verbrauchermessen sind unser wichtigs-ter Direktverkaufskanal“, so Jörg Völker von AMC Deutschland. Sein Unternehmer gehört zur Fissler-Group und ist bundesweit auf Verbrauchermessen präsent: „Gut 50 Prozent unseres jährlichen Umsatzes erzielen wir auf Messen und Ausstellungen.“

    Steigender Kostendruck wird zur echten Herausforderung

    Sorgenfalten bereitet eher der Kostendruck, der zunehmend auf den überwiegend inhabergeführten Veranstaltungsunternehmen lastet. Die massiven Steigerungen für Energie- und Technikkosten ließen sich durch Anpassungen bei den Eintritts- und Standmietpreisen kaum adäquat kompensieren. Die Folge davon sind Einsparungen, die sich auf die Qualität der Veranstaltung auswirken könnten. Das jedoch ist der eigentliche USP. „Für zahlreiche KMUs unserer Mitglieder birgt das die Gefahr, dauerhaft zum Problem zu werden, das wir auch an die Landes- und Kommunalpolitik adressieren“, so Henning Könicke, der FAMA-Vorstandsvorsitzende.

     

    Dr. Mike Seidensticker

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